Seit zweieinhalb Monaten gibt es die sogenannte Wohnimmobilienkreditrichtlinie und man kann sagen, dass sie die Kreditvergabe der Banken gehörig durcheinandergebracht hat. Zeit für ein erstes Fazit.
Wohnimmobilienkreditrichtlinie - Was ist das? Hinter dem Wortungetüm steckt eine EU-Richtlinie, die in erster Linie den Verbraucherschutz verbessern soll. Sie gilt seit März 2016 in Deutschland.
Welche Verbesserungen bringt sie im Bereich der Immobiliendarlehen? Die Stichworte lauten:
Was im Versicherungsbereich schon längst gilt, ist nun auch bei der Darlehensvermittlung Pflicht: Vermittler müssen Ihre Sachkunde nachweisen. Das ist gut für Verbraucher, da besser ausgebildete Vermittler in der Regel auch besser beraten. Außerdem müssen sie haftpflichtversichert sein, so dass Kunden bei Beratungsfehlern abgesichert sind.
Unsere Meinung: Uneingeschränkt positiv und längst überfällig.
Schon bisher bekam jeder Verbraucher standardisierte Informationen zu seinem Immobiliendarlehen. Das nennt sich "Europäisches Standardisiertes Merkblatt" und enthält eine Vielzahl von mehr oder weniger sinnvollen Informationen. Dieses zusätzliche Formular bleibt weiterhin Pflicht und fällt sogar noch etwas umfangreicher aus. Informationen sind wichtig und richtig, doch leider ist "mehr" nicht automatisch "besser". Im Gegenteil: Eine Konzentration auf die wirklich wichtigen Fakten würde dem Merkblatt gut tun und dazu führen, dass Kunden es auch lesen. Das ist bisher nach unseren Erfahrungen sehr oft nicht der Fall.
Unsere Meinung: Gut gewollt, schlecht gemacht. Hier gibt es Verbesserungspotential.
Banken haben schon immer geprüft, ob Kunden in der Lage sind, ein Darlehen dauerhaft bezahlen zu können. Für diese Prüfung hat der Gesetzgeber jetzt Standards vorgegeben, die die Kunden vor Überschuldung und finanzieller Schieflage schützen sollen. In der Praxis der letzten Wochen zeigt sich jedoch: Viele Kunden bekommen gar keinen Kredit mehr. Dieser Punkt hat es in sich, darum möchten wir näher darauf eingehen.
Im Bemühen, leichtsinnige Kunden vor sich selber zu schützen, ist der Gesetzgeber weit über das Ziel hinausgeschossen. Kreditwürdig sind nur noch Kunden, die extrem gut gestellt sind, hohe Einkünfte, hohe Rücklagen und hohe Alterseinkünfte nachweisen können. Sogenannte Schwellenhaushalte, also Familien, die es auch durch Konsumverzicht, zum Haus bringen wollen, haben es deutlich schwerer.
Aber auch andere Kundengruppen trifft es, zum Beispiel Senioren. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Kunden auf dem Weg zu den eigenen vier Wänden begleitet, die 60 Jahre oder älter waren. Der große Vorteil dieser Kundengruppe ist, dass sie meist hohe Sicherheiten, also viel Eigenkapital oder auch eine bereits vorhandene Immobilie, mitbringen. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie schreibt aber fest, dass Sicherheiten keinen nennenswerten Einfluss auf die Kreditentscheidung haben dürfen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Kreditnehmer das Darlehen innerhalb der statistischen Lebenswerwartung zurückzahlen kann. Das ist bei Senioren naturgemäß schwierig.
Im nachfolgenden Ausschnitt aus unserem Imagefilm berichtet unser Kunde Herr Kripp, wie wir ihm 2005 bei der Finanzierung seines Hausbaus behilflich waren. Das war eine Finanzierungskonstellation, wie sie sich uns regelmäßig in den letzten zwölf Jahren gestellt hat und die unter den neuen Bedingungen definitiv nicht mehr möglich sein wird.
Die dritte Gruppe, für die es schwieriger wird, sind die Selbständigen. Die hatten es bei der Immobilienfinanzierung schon immer schwer, und nun wird es keinesfalls leichter, denn oft legen Selbständige nicht genug fürs Alter zurück. Immer wieder sagen uns selbständige Kunden: "Die zu finanzierende Immobilie soll meine Altersvorsorge werden." Genau das ist nicht mehr so einfach. Denn ist das Darlehen nicht vor dem Ruhestand abbezahlt und fehlt es an heute bereits nachweisbaren Alterseinkünften - durch freiwillige Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung, Zahlungen aus Versorgungswerken, Rürup-Rente oder ähnlichem - dann gibt es schlicht keinen Kredit.
Unsere Meinung: Die Auswirkungen der neuen Vorschriften sind verheerend. Verbraucherschutz ist ein hohes Gut. Aber hier ist der Gesetzgeber weit über das Ziel hinaus geschossen.
Auch hier führt eine eigentlich gute Absicht zu einem schlechten Ergebnis. Verbraucher haben einen Anspruch darauf, dass ein normales Euro-Darlehen unter bestimmten Voraussetzungen in ein Darlehen ihrer Heimatwährung getauscht wird. Das betrifft zum Beispiel Kunden, die ihr Geld im Ausland verdienen, z.B. in der Schweiz oder in Großbritannien. Schon bisher haben Banken vorsichtig kalkuliert und etwaige Währungsschwankungen in die Kreditentscheidung einbezogen. Künftig müssen sie jedoch dafür haften. Was ist die logische Folge? Wer sein Geld in der Schweiz verdient, aber eine deutsche Immobilie mit einem Euro-Darlehen finanzieren möchte, bekommt entweder keinen Kredit mehr oder unter schwierigeren Bedingungen als bisher.
Auch hier ein Beispiel aus der Praxis: Der abgebildete Bungalow entstand 2015/2016 in Leipzig. Der Bauherr ist Pendler, arbeitet unter der Woche in der Schweiz und bezieht sein Gehalt folgerichtig in Schweizer Franken. Diese Konstellation wäre heute, unter den Bedingungen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, entweder gar nicht finanzierbar oder nur unter größten Mühen.
Es kann doch nicht das Ziel sein, den Menschen die Bildung von Wohneigentum zu erschweren. Im Gegenteil: Wir brauchen zusätzlichen Wohnraum, wir brauchen Neubau, wir brauchen eine höhere Wohneigentumsquote.
Unsere Meinung: Nicht zu Ende gedacht und darum falsch.
Trotz der unbestreitbaren Verbesserung in den Bereichen Sachkunde und Versicherungspflicht für Darlehensvermittler überwiegen die Nachteile. Der Verbraucherschutz wird dabei nicht gestärkt. Vielmehr wird die Darlehensaufnahme für Menschen erschwert, die bislang aus guten Gründen kreditwürdig waren.
Es ist auch unter schwierigen Rahmenbedingungen unser Ziel, möglichst viele Eigenheimträume wahr werden zu lassen. Denn wir glauben, dass bei seriöser Finanzierung die eigengenutzte Immobilie der Schlüssel zu Wohlstand und finanzieller Sicherheit ist. Dabei helfen wir Ihnen auch in Zukunft gerne!
Herzlichst Ihr
Etliche Medien haben die Auswirkungen der neuen Richtlinie bereits beschrieben. Hier eine kleine Auswahl von Beiträgen zu dem Thema:
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